Was bedeutet „zu steiler Gradient“ in der Mitarbeiterführung?
Die Mitarbeiterüberwältigung
Mitarbeiterüberwältigung bezeichnet einen Zustand, in dem sich Mitarbeiter aufgrund der Menge oder des Schwierigkeitsgrades von Aufgaben oder Veränderungen überfordert fühlen. 😰
Die Überforderung erzeugt bei Deinem Mitarbeiter Verwirrung, eine Art taumeliges Gefühl und ein Gefühl der Angst. 😵💫
Hinzu kommt, dass Menschen große oder zu schnelle Veränderungen vermeiden, die außerhalb ihrer „Komfortzone“ liegen, um sich vor Überforderung zu schützen.
Diese Vermeidungshaltung dient dazu, die Verwirrung und das Gefühl der Überwältigung zu minimieren.
Mitarbeiter streben nach Stabilität und daher kommt es nicht selten vor, dass Neuerungen im Unternehmen oder einem neuen großen Projekt mit großer Skepsis gegenübergetreten wird.
Kennst Du den Spruch: „Das haben wir schon immer so gemacht und es war immer gut“? 🙄
Dieser Spruch bedeutet übersetzt nichts anderes als „Bloß keine Veränderung – ich muss sonst meine Komfortzone verlassen – ich bin sonst verwirrt“.
Praxisbeispiel 1 – Team
Stell Dir vor, Du möchtest in Deinem Unternehmen die digitale Transformation vorantreiben.
Du entscheidest, ein neues, komplexes Softwaretool für das Customer-Relationship-Management (CRM) einzuführen.
Das neue Tool wird in einem Teammeeting vorgestellt. Selbstverständlich erklärst Du die Vorteile und setzt eine Frist für die Implementierung.
Schon während des Briefings bemerkst Du, wie Dir die Skepsis und die 1.000 Bedenken entgegen springen. 😉
In den ersten Tagen nach der Einführung hörst Du ständig, was alles nicht funktioniert und dass die Einführung nur eine zusätzliche Belastung und keine Entlastung sei – die Praxis zeigt jedoch, dass es meist Anwendungsfehler sind. 🙄
Einige Teammitglieder meiden die Nutzung der neuen Software, andere zeigen offene Frustration, die Fehlerquote bei der Dateneingabe steigt usw. 😡
Das gleiche Phänomen wirst Du bei vielen Mitarbeitern und Führungskräften, bei größeren Aufgaben oder Projekten feststellen.
Das Learning zum zu steilen Gradienten
Es stellte sich heraus, dass die plötzliche Einführung der Software, ohne die Mitarbeiter über einen angemessenen Gradienten (mehrere Meetings, ausreichende Schulungen und Anpassungszeit) mit auf die Reise zu nehmen, einen „zu steilen Gradienten“ für das Team darstellte.
Gradient: Der Gradient beschreibt eine graduelle Annäherung an ein Ziel, indem man es in überschaubare, schrittweise Abschnitte unterteilt.
Jede einzelne Stufe ist für sich genommen einfach zu bewältigen, was dazu führt, dass selbst komplexe und herausfordernde Aufgaben oder Projekte durch das Abarbeiten kleiner, überschaubarer Teilschritte relativ mühelos vollendet werden können.
Positives Anwendungsbeispiel in der Mitarbeiterführung
Stellen wir uns ein Unternehmen vor, das ein neues, komplexes Projektmanagement-Tool einführen möchte.
Phase I
Die Führungskraft nimmt das Team mit auf die Reise, „verkauft“ ihnen die Vorteile und fragt sie nach ihrer Meinung.
TIPP:
Nicht der Unternehmer oder die Führungskraft verkauft dem Team die neue Software, sondern das Team „verkauft“ sie sich selbst. 😉
Führungskraft:
„Wir möchten gerne eine neue Software – ein Projektmanagement Tool – im Unternehmen einsetzen.
Wir haben uns auf dem Markt umgeschaut, welche Systeme für uns und unsere Bedürfnisse in Frage kommen.
Bevor wir eine Entscheidung treffen, würde mich Eure Meinung interessieren und wo ihr die Vorteile für die Nutzung eines solchen Tools seht.
In welchen Bereichen könnte es für Euch interessant sein? Was wäre Euch bei so einer Software wichtig?“
Jetzt muss die Führungskraft nur die positiven Antworten aufgreifen und dieses nachdrücklich bestätigen und loben. 😎
Phase II
Im nächsten Meeting stellt die Führungskraft die neue Software grob vor:
„Aufgrund Eures tollen Inputs haben wir uns für folgende Software entschieden. Hierbei haben wir darauf geachtet, dass die Software genau das liefert, was Ihr Euch gewünscht habt.“ 😀
Mitarbeiterführung: Schulung
Phase III
Direkt von Anfang an alle Features der Software zu nutzen, könnte das Team überfordern.
Stattdessen beginnt die Führungskraft mit einer Basis-Schulung, die nur die grundlegendsten Funktionen des Tools abdeckt.
Nach und nach werden fortgeschrittene Funktionen in regelmäßigen Trainingseinheiten eingeführt.
Parallel dazu stehen Mentoren zur Verfügung, die Unterstützung bieten, bis das Team selbstständig mit dem Tool arbeiten kann.
Praxisbeispiel 2 – einzelner Mitarbeiter
Einer der häufigsten Fehler in der Mitarbeiterausbildung ist, als Führungskraft Dinge „quick & dirty“ zu erklären oder vorzumachen (in Theorie und Praxis).
Mitarbeiter fühlen sich überfordert oder sind überwältigt, wenn Aufgaben zu kompliziert erscheinen oder nur kurz oder gezeigt werden.
Das stürzt sie in Verwirrung und sie können es nicht tun. Der Lerngradient war zu steil und das Ergebnis wird mangelhaft sein. 😬
Um Mitarbeiterüberwältigung aufgrund eines zu steilen Gradienten zu verhindern, geht man wie folgt vor:
Phase I
- Du als Führungskraft, machst es vor und erklärst, wie und warum Du etwas machst.😊
- Du stellst sicher, dass der Mitarbeiter es vollständig verstanden hat, indem Du ihn proaktiv aufforderst, Dir Fragen zu stellen, während Du es vormachst. 😊
- Du überprüfst, dass er Dich vollständig verstanden hat, indem Du Deinen Mitarbeiter – nachdem Du es mehrfach vorgemacht und alle Fragen geklärt hast – fragst: „Kannst Du mir mit Deinen eigenen Worten erklären, was ich Dir gezeigt habe?“
Anhand der Antwort merkst Du, ob der Mitarbeiter es einigermaßen verstanden hat. 😉
Wenn nicht, dann erklärst Du es ihm noch einmal, zeigst es ihm/ihr noch einmal und stellst sicher, dass alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt wurden. 😊
Tipp 1:
Bei mündlichen Anweisungen ist es immer ratsam – gerade bei neuen Mitarbeitern – am Ende zu sagen:
„Kannst Du mir noch einmal kurz wiederholen, was die Aufgabe ist, die ich Dir gegeben habe?“
(anhand der Antwort hörst Du sofort, ob die Anweisung verstanden wurde – siehe hierzu auch meine Blogartikel zu Kommunikation).
Tipp 2:
Bei mündlichen Anweisungen ist es immer ratsam – gerade bei neuen Mitarbeitern – am Ende zu sagen:
„Kannst Du mir noch einmal kurz wiederholen, was die Aufgabe ist, die ich Dir gegeben habe?“
(anhand der Antwort hörst Du sofort, ob die Anweisung verstanden wurde – siehe hierzu auch meine Blogartikel zu Kommunikation).
Phase II
Nun lässt Du Deinen Mitarbeiter die Tätigkeit ausführen und schaust einfach nur zu.
Führt er/sie die Tätigkeit richtig aus, bestätigst Du die Person (loben).
Macht die Person Fehler, korrigierst Du sie und zeigst es noch einmal, während Du es ihr erneut erklärst.
Du schaust so lange zu, bis Du Dir sicher bist, dass die Person die Tätigkeit ausüben kann.
Wichtig: Habe Geduld und investiere Zeit – das Investment lohnt sich.✌️
„Die Häufigkeit der Durchgänge erhöht das Duplikationsvermögen und die Resultate.“
Es ist immer das gleiche Vorgehen:
A) Du führst die Tätigkeit selbst aus (vormachen).
B) Du stellst sicher, dass die Person die Tätigkeit und den Zweck verstanden hat.
C) Du schaust so lange zu und korrigierst die Person, bis sie die Tätigkeit ausüben kann.
D) Du achtest immer darauf, dass der Lernfortschritt auf einem angemessenen Gradienten erfolgt, damit die Person nicht in Verwirrung kommt und dann überwältigt wird.
Zu dem Thema Mitarbeiterüberwältigung und Mitarbeiterüberforderung habe ich einen Blogartikel geschrieben, der sehr interessant und hilfreich ist.
Strategien zur Anpassung des Gradienten
- Beobachte genau
Achte auf nonverbale Signale Deiner Mitarbeiter, die auf Überforderung hinweisen könnten. - Unterteile große Projekte
Zerlege große Aufgaben in kleinere, überschaubare Schritte. - Biete Unterstützung an
Stelle sicher, dass die Mitarbeiter die notwendigen Ressourcen und das Wissen haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen. - Vermeide Missverständnisse
Stelle sicher, dass die Mitarbeiter die Aufgaben und Projekte wirklich vollständig verstanden haben, bevor sie in die Umsetzung gehen. - Sei ein Vorbild
Du musst ein Vorbild für Deine Mitarbeiter sein, weil Du Deine zukünftige Führungskraft durch Dein Vormachen und Handeln prägst.
Die Vermeidung von Mitarbeiterüberwältigung ist nicht nur eine Frage der Produktivität, sondern auch der Verantwortung und des Respekts gegenüber den Menschen, die Dein Unternehmen ausmachen.
Resümee
Die Herausforderung eines zu steilen Gradienten verdeutlicht, dass Mitarbeiter, die mit zu schnellen oder umfangreichen Veränderungen konfrontiert werden, schnell überwältigt sind.
Diese Überwältigung äußert sich in Verwirrung, Angst und Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten, was letztlich die Produktivität und das Wohlbefinden des Teams beeinträchtigt.
Durch die Anpassung der Methodik und des Lerngradienten stellen Führungskräfte sicher, dass Veränderungen und neue Anforderungen in einem Tempo und Umfang eingeführt werden, die für das Team machbar sind.
Dies bedeutet für Dich, große Projekte in kleinere Schritte zu unterteilen und ausreichend Unterstützung und Schulung bereitzustellen, sodass sich jeder Mitarbeiter kompetent und selbstsicher fühlt.
Meine Praxisbeispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, den Mitarbeitern Zeit zur Anpassung zu geben und sie aktiv in den Prozess der Veränderung einzubeziehen.
Indem Du als Führungskraft auf die individuellen Bedürfnisse und das Tempo Deiner Teammitglieder eingehst, schaffst Du eine Umgebung, in der Veränderungen nicht gefürchtet, sondern als Chance begrüßt werden.
Es zeigt, dass gute Führung bedeutet, das Wachstum jedes Einzelnen zu fördern und gleichzeitig das Team als Ganzes zu stärken. 😊